Das Kleid an der Scheiderpuppe von vorne und von hinten und von innen
Konstruiert wurde ein gemäßigter Wasserfallausschnitt und eine Taillenraffung. Gemäßigt weil der gewählte Stoff ein sehr dicker Romanitjersey ist.
Kleider dieser Art gab es in den letzten Jahren immer wieder. V.Westwood hat mit diesem Elementen gearbeitet: z.B. Dress Anglomania 2015, bekannt ist auch Burda 118A-102012-DL.
Aufspreizungen der Schnittmusterteile gibt es aber an ganz vielen Modellen. Wenn das Prinzip verstanden ist, hat die Schneiderin unendliche Möglichkeiten ihren Grundschnitt schnell zu variieren.
Ausgangspunkt der Schnittentwicklung dieses Kleides war mein erprobter T-Shirtgrundschnitt mit langem Arm. Die Schnittmustermanipulation findet fast ausschließlich am Vorderteil statt. Weil das Originalschnittteil zu groß ist um gute Fotos zu machen demonstriere ich die Veränderungen an einem kleinen Pappmodel. Das Pappmodell ist nicht maßstabsgetreu:
Das halbe Vorteilteil, pur.
- Verbreitern des Ausschnitts.
- Vertiefen des Ausschnitts vom Halspunkt nach unten um 10 cm (roter Pfeil).
- Neuen Halsausschnitt ausschneiden.
- Einzeichnen von drei „Spreizlinien“,
der Verlauf ist frei entschieden.
- Aufspreizen des Schnittteils.Je stärker das Schnittteil (besonders auch im Armloch) aufgespreizt wird um so tiefer geht der Wasserfall.
hier habe ich nur eine moderate Aufspreizung gewählt weil der Stoff sehr dick ist. Bei dünnem Jersey sieht ein breiter tiefer Wasserfall sehr schön aus. - Unter das Schnittteil zur Verstärkung Papier kleben.
- Die vordere Mitte (hier verläuft auch der Stoffbruch) einzeichnen und bis oben verlängern.
- Oben den angeschnittenen Beleg (grün) dazu malen. Hier ist das nicht korrekt passiert. Auf dem nächsten Bild sieht man es richtig.
- Über die vordere Mitte stehende Teile abschneiden.
- Den Beleg richtig aufzeichnen.Die Schulterlinie des Belegs und die Schulterlinie des Schnittteils müssen identisch sein denn zwischen beiden Teilen wird später die hintere Schulterlinie genäht.Der Wasserfallausschnitt ist fertig. Jetzt muss nur noch der hintere Ausschnitt angepasst werden und ich könnte gemeinsam mit dem Ärmelteil ein T-Shirt mit Wasserfall nähen.
- Zu diesem Zeitpunkt habe ich das Vorderteil mit dem Wasserfallausschnitt auf neues Papier kopiert.
- Einzeichnen der Taillenlinie.
- Verlängern des Schnittteils bis zur gewünschten Kleiderlänge.Dieser Schnitt könnte jetzt gemeinsam mit dem angepassten Rückenteil und den Ärmel zu einem Jerseykleid genäht werden.
- Verdoppeln des Schnittteils.Wir brauchen das ganze Vorderteil denn die Manipulation finden nur auf einer Seite statt.
- Einzeichnen der Aufspreizlinien.Ich habe den Ausgangspunkt etwas oberhalb der Taille gesetzt den das sieht bei meinem runden Bauch besser aus.
- Auschneiden der Linien.
- Aufspreizen.Je mehr Aufgespreizt wird umso mehr Falten entstehen. Auch hier habe ich mich für eine moderate Ausspreizung entschieden weil der Stoff so dick ist.
- Papier zur Stabilisierung unterkleben.
- Den Fadenlauf einzeichnen.Gut sieht auch ein Fadenlauf quer zum unteren Saum aus.
- Die Aufspreizungen an der Taille müssen mit Passzeichen versehen werden.Das durch das Verschieben entstandene „Zuviel“ wird beim Nähen mit Falten oder wie bei mir, mit einkräusen wieder reduziert, damit die linke Vorderteilseite und die linke Rückenteilseite aufeinander passen.
- Noch den Ausschnitt des Rückenteils anpassen und das Kleid kann genäht werden.
So sieht mein Schnitteil im Original aus. Die Brustabnäher habe ich auch eingekräuselt.
Beim Originalschnittmuster liegt die Taillenaufspreizung noch genau an der dünnsten Stelle. Beim Nähen und Anpassen des Kleides habe ich sie später etwas höher gelegt. Da ich keine ausgeprägte Taille habe und der Stoff aus Strick ist war das kein Problem.
Auf die Schultern habe ich wieder BH Halterbänder genäht. das Kleid bleibt ungefüttert. Ich trage es mit Unterkleid.
Den Brustabnäher kann man auch zur vorderen Mitte drehen. Dann braucht man nicht mehr so viel aufdrehen für die Wasserfalldrapierung und er ist schon mal weg. Bei Müller &Sohn machen sie es so, dass die vordere Mitte von unten nach oben etwas ausgestellt bleibt, also nicht alles beschnitten wird an der vorderen Mitte. Dir ist es so gut gelungen, nichts ändern! Auch nicht die Kleidlänge, wovon du heute beim MMM sprichst. Regina
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Hallo!
Super tolle Erklärung, wie ich aus meinem gut passenden T-Shirt Schnitt ein Wasserfallshirt konstruieren kann! Danke dafür, ich werde mich die Tage doch echt mal ran setzen!
Grüße
Uta
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Sehr interessant, die Schnittveränderungen. Ich denke, dass ihr hier gerade prima Posts zum immer-wieder-Nachschauen schreibt und danke herzlich für die darin steckende Arbeit!
Zu diesem Projekt habe ich noch eine Frage: Gibt es einen bestimmten Grund, warum du den Brustabnäher belassen hast? Man hätte ihn ja „unterwegs“ zukneifen können, aber ich habe leider keine Ahnung, ob das im Endeffekt den Sitz verschlechtert oder den Karoverlauf zum Ärmel hin hätte merkwürdig aussehen lassen. Hast du das eventuell einmal ausprobiert?
LG, Bele
Pingback: Unabhängiger werden von Schnittmustern – Teil 3 – Aufspreizen | mema
Danke für die Erläuterung. Sieht ja ganz einfach aus. Sehr schönes Kleid und die haltebänder muss ich auch mal probieren. Hier hängt noch ein „Dodo“ Kleid im Schrank und wird viel zu wenig getragen.
LG Dana