Eines meiner Langzeitnähziele ist die Herstellung eines dieser zeitlosen, für meine Generation typischen Ensemble:
Jeans, langsam verwaschend und zunehmend an meinen Körper angepasst plus
weißes Hemd, bei Frauen Bluse genannt sowie ein
lässiges Jacket in blau oder schwarz mit Innentaschen an den richtigen Stellen.
Ich bin da auf einem guten Weg. Den größten Schulungsbedarf habe ich im Nähen von Jackets. Die Wahl der Einlagen, die unterschiedlichen Schnittteile, Rollweite, unfallfreies Einnähen von Futter, all das kann ich nur laienhaft. Immer habe ich den Eindruck, da muss ich doch noch mehr wissen um das gut zu machen!! Und als das Atelier Peggy Morgenstern mir vorvorletzten Monat meldete, daß im entsprechenden Kurs noch Plätze für Oktober frei wären, habe ich kurzentschlossen zugegriffen. Den ersten Kurs Grundschnittkonstruktion vom Oktober 2013 hatte ich in sehr guter Erinnerung. Er hatte mich nähtechnisch sehr viel weiter gebracht.
Und das Atelier bietet eine für mich optimale Lernumgebung. Die Kurse haben jeweils maximal 4 Teilnehmende, jede hat einen eigenen großen Arbeitstisch mit allen benötigten Materialien, alle nötigen Stoffe werden gestellt. Konkrete Übungen auf Papier und mit Stoff wechseln sich ab mit theoretischem Unterricht an der Tafel. Am Ende verfügt man über eine Sammlung aussagekräftiger Unterrichtsmaterialien, Arbeitsproben, Anleitungen etc. Und das Preis Leistungverhältnis ist sehr angemessen. 390 € für mehr als 33 Unterrichtstunden incl. Sachkosten und Mittagessen, für berufliche Fortbildungen im sozialen und ökonomischen Bereich habe ich früher oft das Doppelte bezahlen müssen. Der Seminarort liegt in der Lüneburger Heide vor den Toren von Lüneburg. Es scheint kein Problem zu sein mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Lüneburg aus nach Kirchgellen zu kommen. Fußläufig gibt es von früheren Teilnehmerinnen geprüfte Pensionen, die für 20 – 30 € Übernachtungen anbieten. Alle diese Informationen findet man auf der Seite der Kursleiterin.
Auch dieses Mal waren die 4,5 Tage sehr anregend, intensiv und auch anstrengend und anregend. Peggy Hasselman ist für mich eine gute Lehrerin. Klar, direkt da wo nötig, und sehr fokussiert, darauf jeder das zu zeigen, was sie braucht. Ich schätze die gemeinsame Beratung der Arbeitsergebnisse der einzelnen Teilnehmerinnen sehr, ich lerne dabei, Stoffe und Schnitte noch besser zu verstehen und wie ich Verbesserungsmöglichkeiten bei Kleidungsstücken sehen kann: warum gibt es diese Falte und was ist dagegen zu tun oder auch nicht zu tun, denn diese Reserve wird für die Bequemlichkeit genötigt. Warum sind Schulterpolster wichtig und wann geht es auch ohne usw.
Dieser Blazerkurs ist ein Spezialkurs , Erfahrungen in Schnittkonstruktion sind Voraussetzung für die Teilnahme und auch wirklich unbedingt erforderlich. Beim ersten Kurs habe ich ein wenig mit der Materie gekämpft. Der Umgang mit dem Geodreieck, Winkel auftragen, Punkte spiegeln oder in der richtigen Weise verbinden, dieses Mal fiel mir das nicht mehr schwer, da ich zwischendurch immer mal wieder Schnittkonstruktion geübt hatte. Im Kurs selber bekommt jede die Hilfe, die sie braucht. Niemand muss sich vor dem Theoretischen fürchten. Die Balance zwischen Theorie und Praxis ist ausgeglichen und ergänzt sich.
Ich bin mit einer frisch genähten Nesselprobe meines Oberteilgrundschnitts von 2013 angereist und auch mit einigen Fragen, die sich mir in den letzten 2 Jahren damit gestellt haben. Und genau das war die erste Schulungseinheit. die Anpassung des Grundschnitts und die Diskussion über Stoffwahl, seine Eigenschaften und die nötige Bequemlichkeitszugabe.
Dann kamen Übungen zur Verlegung von Abnähern und die erste persönliche Modellentwicklung. Vier Frauen vier verschiedene Modelle! Welche Belege braucht das Modell, wie sieht der Futterschnitt aus, Rollweite, verschiedene Nahtzugaben, welche Einlagen sind wo sinnvoll…….. Dann wurde das Modell genäht und die Nesselprobe angepasst. Am Ende hat jede von uns einen perfekten Schnitt, den sie nur noch aus dem Stoff ihrer Wahl nähen muss.
Dann geht es weiter. Flankennaht, Seitenabtrennung, die Konstruktion des Reverskragen und Ableitungen davon wie z. B. der Schalkragen, modische Diskussionen über die Ausgestaltung des Revers (der Schnabel – Kragenabstich und Reversabstich – und wie sie zueinander stehen) und die Breite und die Länge des Revers und wie alles verändert werden kann und der Futterschnitt und wie er eingenäht wird, der Einnahtärmel und daraus den Zweinahtärmel und dann die Futterschnitte dazu und natürlich wieder die Rollweite und wie das mit dünnen und mit dicken Oberarmen gehen kann und wie man die Herausforderung des Einnähens bewältigt.
Dann die zweite, anspruchsvollere Modellentwicklung. Ich entscheide mich für das Modell des Blazers, den ich schon lange nähen will. Ein Basismodell mit Taillenabtrennung ohne Seitennähte und mit Schlitz im Rücken. Natürlich bekomme ich auch die Arbeiten der anderen drei Teilnehmerinnen mit. Hier lerne ich nebenbei etwas über Blazer und Strickstoff bzw. elastische Stoffe und ihre besonderen Bedingungen.
Am Ende wird die Zeit knapp. Ich schaffe es noch eine Probe aus Nessel zu nähen und nehme die gesteckten Veränderungen mit. Den Rest sollte ich jetzt wohl alleine schaffen.
Mich hat auch dieser Kurs beflügelt. Ich habe den Eindruck, dass ich jetzt wieder eine Weile alleine weitermachen kann. Ich will alles das üben was ich gelernt habe. Und, falls jemand mich fragen sollte, ja, diese Kurse sind sehr zu empfehlen. Und wenn sich wieder mal die Gelegenheit ergibt: da wird auch ein interessanter Kurs in Drapagetechnik angeboten, 2017 vielleicht.