Enge Röcke nach persönlichen Maßen Teil 1
Einen Grundschnitt für einen Rock zu konstruieren, das ist nicht so schwer. Im Netz gibt es viele Anleitungen dieser Art in ganz unterschiedlicher Qualität. Mein Blog dient auch dazu meinen Nähprozess zu dokumentieren. Daher hier meine Art zu einem Rockgrundschnitt zu kommen.
Ursprünglich habe ich dieses System dem Brigitte Nähbuch von Antje von der Heyde „Mode-Klassiker selber nähen“, Mosaik Verlag München, 1992 entnommen. Dieses Buch ist nur noch in Antiquariaten erhältlich. Hier hat El gato y yo auch einen Rock vorgestellt, der mit diesem System konstruiert wurde. Ich nähe danach schon seit 1992 immer wieder einen Rock für mich. In den letzen zwei Jahren sind weitere Informationen dazugekommen. „Bekleidung, Schnittkonstruktion für Damenmode“, Band 1 Grundlagen von Guido Hofenbitzer, Verlag Europa-Lehrmittel Haan-Gruiten, 2009 (Band 2 erscheint dieser Tag!) hat meine Art Röcke zu nähen weiter qualifiziert. Ganz hilfreich waren auch die Ausführungen von Julia zur Balance (ihr Post ist weiter unten verlinkt).
Wenn jemand dieses System nachvollzieht und einen Fehler findet, so bitte ich um Rückmeldung.
Jetzt geht es aber los!!!
Konstruktion des Grundschnitt:
Benötigte Maße:
Taillenweite (TW) am Körper messen
Hüftweite (HW) am Körper messen
Rocklänge (RL) entscheiden und am Körper abmessen
Ausfall berechnen, Differenz zwischen Hüftweite und Taillenweite
Weitenzugabe an der Taille 2 – 3 cm, an der Hüfte 4 – 6 cm
Der Basisschnitt besteht am Ende aus einem halben Vorderteil und einem halben Rückenteil.
1. Rahmen
Zeichne auf einem großen Stück Papier ein Rechteck
Breite des Rechtecks:
Das wichtigste Maß ist die Hüftweite plus Weitenzugabe denn sie bestimmt die maximale Breite des Schnittmusters an der Hüftlinie.
Dieses Konstruktionsmaß, die Hüftlinie (HL), wird also folgendermaßen berechnet:
HW plus Weitenzugabe Hüfte geteilt durch 2 = Breite des Rechtecks.
Länge des Rechtecks:
Sie wird durch die Rocklänge (RL) plus Zugabe für den Saum plus Taillenband bestimmt. Mein Musterschnitt ist knielang, für den Saum gebe ich 4 – 8 cm dazu und für den angeschnittenen Bund braucht es noch mal 5 cm. Also rechne für die Länge des Rechtecks:
RL (von Taille bis Knie) plus Saum, plus Taillenband = Höhes des Rechtecks
2. Konstruktion von vorderen und hinteren Mitte, der Seitennaht, der Hüftlinie
und der Taillenlinie
Halbiere das Rechteck vertikal. Dieses wird die Seitennaht (SN) des Rockes.
Die vordere Mitte (VM) des Rockes ist die linke Seite des Rechtecks, die hintere Mitte (HM) wird die rechte Linie des Rechtecks.
Die Taillenlinie (TL) ist in diesem Beispiel gebildet aus 5 cm für das angeschnittenen Bündchen. Für die Taille eine horizontale Linie 5 cm abtragen. Nach weiteren 21 cm wird eine weitere horizontale Linie seingezeichnet. Dies ist die Hüftlinie (HL).
Nach diesen beiden Schritten sieht die Konstruktion so aus:
Ein Klick auf die Fotos vergrößert sie!
3. Konstruktion der Abnäher
Der Unterschied zwischen der Breite der Taille und der Hüfte ist relevant für die Konstruktion der Abnäher und den Hüftbogen. Ich bezeichne ihn hier als (Taillen-) Ausfall.
Bei diesem Grundschnitt verteilt sich der Ausfall je zur Hälfte in die Konstruktion der Hüftbögen und die beiden Abnäher des Vorderteils und des Rückenteils. Als Rechenbeispiel nehme ich 24 cm als Ausfall an. Der halbe Betrag, 12 cm, wird also mit 6 cm auf die Hüftbögen verteilt und weitere 6 cm verschwinden in den beiden Abnähern.
Das heiß: Der Abnäher im Vorderteil ist 3 cm breit, der Hüftbogen des Vorderteils überbrückt 3 cm, der Hüftbogen des Rückenteils überbrückt auch 3 cm und der Abnäher im Rückenteil ist auch 3 cm breit.
Von der SN (Seitennaht) auf der Taillenlinie werden als in beide Richtungen 3 cm abgetragen. Dieser Punkt wird jeweils im sanften Schwung mit der Hüftlinie an der Seitennaht verbunden.
Der Abnäher des Vorderteils ist meistens kürzer als der der Rückenteils. Das liegt an der unterschiedlichen Form von Bauch und Hintern. Die Länge des vorderen Abnähers beträgt in meinem Beispiel 8 cm, der rückwärtige Abnäher hat 13 cm Länge. Der hintere Abnäher sitzt genau in der Mitte des Rückenteils, der vordere Abnäher in der Höhe des Beckenknochens; sagen wir mal hier 6 cm von der Seitennaht.
Die Zeichnung illustriert das Geschriebene:
Jede Frau hat eine individuelle Körperform. Hier geht es um die schematische Verteilung. Der Rock kann an dieser Stelle für die eigene Passform optimiert werden. Es gibt eine Vielzahl von Regeln bzw. Vorschlägen für die Verteilung des Ausfalls, der Anzahl, Länge und dem Ort der Abnäher. Für den ersten Rock empfehle ich diese Art. Nach der ersten Anprobe wird sich zeigen wie der Rock sitzt und an welcher Stelle Anpassungen den Sitz der Rockes optimieren. Wenn eine Frau eine stark ausgeprägte Taille hat ist z.B. die Verteilung des Ausfall auf mehrere Abnäher sinnvoll. Hilfreich ist es die Veränderungen gleich in den Musterschnitt zu übertragen. Im Laufe der Zeit verbessert sich der individuelle Schnitt so immer mehr.
4. Konstruktion der Taille und des angeschnittenen Bündchens
Die weibliche Form an der Taille erfordert jetzt noch die Konstruktion einer sanften Rundung an der Taille. Für den besseren Sitz soll die Taille an der Seitennaht (bei einer Figur die ehr der Norm entspricht) höher sitzen als an Bauch und Rücken. Deshalb wird in diesem Musterschnitt die Taillennaht tiefer gesetzt und zwar um 1 cm, jeweils an der vorderer Mitte und an der hinteren Mitte. Der schraffierte Teil ist das angeschnittene Bündchen, das beim Nähen später nach innen geklappt wird.
Hier die ergänzte Zeichnung:
5. Schlitz, Fadenlauf, Passzeichen
Jetzt fehlen noch Hinweise zum Nähen auf dem Musterschnitt.
Zunächst füge ich an der hinteren Mitte ein kleines Rechteck zu. Dies ist der Mehrbedarf für den einseitig verdeckten Schlitz. Bei mir hat sich eine Breite von 6 – 8 cm bewährt. Die Länge des Rechtecks hat mit der Länge des Schlitzes zu tun. Bei mir beginnt der Schlitz oft 1 1/2 Handbreit über dem Knie. In der Regel arbeite ich in die hintere Mitte den Reißverschluss ein. Auch das kennzeichne ich im Maßschnitt. Der Reißverschuss kann aber auch in die Seitennaht gearbeitet werden. In der Mitte der Seitennaht male ich auf beide Seiten kleine Dreiecke als Nahtzeichen. Als letztes markiere ich die vordere Mitte als Bruch und parallel dazu auf dem 1/2 Vorderteil und dem 1/2 Hinterteil den Fadenlauf.
Hier zur Illustration die noch mal ergänzte Zeichnung:
6. Schnittmuster herstellen
Der Papierschnitt kann jetzt ausgeschnitten und mit Stoff erprobt werden.
Bitte nicht vergessen, dies ist ein Prinzip und muss an den realen Körper angepasst werden. Der Rock wird schon einigermaßen gut passen da der Schnitt von den realen Körpermaßen der Taille und der Hüfte aus konstruiert wurde. Die restlichen Proportionen, die Länge der Abnäher, die Standort der Abnäher, die Hüftrundung usw. usw., da ist noch viel Raum für Anpassung. Und dann gibt es noch das Phänomen der Balance! Für den guten Sitz eines Rockes ein spannendes Thema. Julia von Sewing Galaxy hat es hier geblogt.
Hier das letzte Foto von der Zeichnung:
Soweit zunächst. In Teil 3 werde ich verschiedene Rockvariationen vorstellen.