Archiv der Kategorie: Technische Überlegungen

Herrenoberhemden – ganz nach Wunsch

Mein Mann liebt Oberhemden, auch im Alltag. Und er hat einen ganzen Schrank voll davon. Allerdings haben fast alle ein Problem: der Halsumfang / die Kragenweite. Sein kräftiger Hals und der Vollbart passen nur bei besonders großen Hemden. Nur da gibt es die passenden Kragenweiten. Diese Hemden passen aber an anderen Stellen nicht besonders gut, da sind sie zu weit und oft auch zu lang.

„Macht nichts“ sagt er,“ ich lass die Hemden oben sowieso offen“. Ich sehe aber immer, dass das Hemd oben nicht passt. die ganze Kragensituation sitzt einfach nicht gut. Mit zunehmender Nähkenntnis fallen mir Passformfehler schnell auf und da ich das Wissen mit ihm teile, hat er allmählich auch einen Blick dafür entwickelt.

Hemden ganz nach Karls Wunsch nähen zu können ist also mein Ziel der letzten Zeit gewesen. Es ist gelungen. Er hat jetzt 6 Hemden mit passender Kragenweite im Schrank.

An vielen übrigen Stellen haben die Hemden noch kleine Schönheitsfehler, die nur ich sehe. Er ist mit allen Hemden zufrieden und zieht sie gerne an.

Natürlich habe ich mir verschiedenen Ressourcen zunutzt gemacht:

Schnittmuster
Zunächst habe ich verschiedene Schnittmuster ausprobiert und war nicht wirklich zufrieden.
Am Ende habe ich den Schnitt für Karls Hemd von einem alten, relativ gut sitzenden Hemd abgenommen. Vier einfache Schnittteile: Vorderteil, Rückenteil, Ärmel, Rückenpasse. Nur die Kragensituation habe ich konstruiert.

Mit diesem Papierstreifen habe ich den Kragenumfang geprüft. Frage an den Eheman: „Ist es so angenehm für dich“

Und nach einem Probeteil wurde noch die hintere Passe/Schulterneigung verändert. Anregungen dazu und zum Kragen habe ich von meinem Lieblingsautor für Hemden (und Hosen) David Page Coffin bekommen. Er hat einen Blueprint (vormals Craftsy) Kurs „Shirtmaking Details beyond the basics“ veröffentlich und auch Bücher über Hemden geschrieben.

Das empfehle ich sehr: Hemd und Design aus dem Stiebnerverlag.
Wie genau ich das Hemd anpassen kann, wie der Kragen gut sitzt, wie die hintere Hemdenpasse am Körper anzupassen ist, all das habe ich von Coffin gelernt.

Nicht probiert aber sehr spannend ist dieser Link auf der Müller & Sohn Seite: Hemden für Dirigenten mit Bauchfiguren.
Hier wird beschrieben wie Hemden zu konstruieren sind die Platz haben für einen Bauch und zusätzlich viel Bewegungsfreiheit in den Armen und im Rücken. Wenn das Schnittmusterabnehmen nicht geklappt hätte wäre das meine nächste Wahl gewesen.

Nähen eines Hemdes
Auch von Sebastian Hoofs, dem Kölner Maßschneider gibt es ein gutes E-Book „Wie man ein Hemd schneidert“.


Sehr hilfreich für die Produktion! Das beiliegende Schnittmuster hat bei meinem Mann aber nicht gut gesessen. Kleidung für „Bauchfiguren“ scheint nicht so sein Ding zu sein.
Für die Nähschritte von Hemden und Blusen gibt es viele weitere, gute Anleitungen im Netz so dass ich das nicht wiederholen möchte.
Links dazu: Forum cutter and tailor engl., Formgebend,

Hemdkragen nähen
Schon vor längerer Zeit besuchte ich einen kleinen Spezialkurs bei Sebastian Hoofs.

Eine Weile hat er diese kleinen Spezialkurse angeboten. Ich finde sie jetzt nicht mehr auf seiner Seite. Schade. Ich habe viel bei ihm gelernt. Er hat aber seine Technik in der Fachzeitschrift Rundschau für die Herrenmode veröffentlicht und der Verlag Müller & Sohn stellte diesen Artikel für alle einsehbar auf ihre Internetseite.

Manschettenschlitz
Für die Schlitze an den Ärmeln gibt es auch unzählige Anleitungen. Ich arbeite auch hier nach Müller & Sohn, diesmal von Susanne Hirt verfasst. Diese Anleitung gefällt mir am besten.

Tips und aktuelle Herausforderungen
Nachdem es jetzt ein passendes Schnittmuster gibt und ich mit Coffin auch in der Lage bin die Kragenformen zu variieren, ist immer noch spannend welche Einlagen in Kragen, Manschetten und gegebenenfalls die Knopfleiste kommen sollen. Je nach Stoff kann das unterschiedlich sein. Und nicht immer bin ich mit meiner Wahl zufrieden gewesen.
Verarbeitung der Nähte
Ich kann zwischen französischen Nähten, Kappnähten, und falschen Kappnähten wählen. Ich hab auch schon die Nahtzugaben einfach mit der Overlock versäubert. Karl ist das alles egal. Mich treibt aber der Ehrgeiz es besonders schön zu machen. Kappnähte an den Schulter/Ärmelnähten gelingen mir jedenfalls nicht gut.

Trotz dieser tollen Anleitung von Carolyn Smith von Handmadewithcarolyn. Ich werde für die Ärmel nur noch falsche Kappnähte wählen.
Knöpfe
Wie oft habe ich bei Karls gekauften Hemden verlorene Knöpfe ersetzt (mein kleiner Liebesdienst an ihn) und wie froh war ich, dass die meisten Hersteller an irgendeiner Stelle Reserveknöpfe angebracht haben. Genau das mache ich auch bei meinen Hemden.
Zu Knöpfen noch eine Bemerkung: Ich nütze die Knöpfe von alten Hemden mit durchgescheuerten Krägen. Manchmal haben diese Knöpfe eingeprägte Firmennamen. Dann drehe ich sie einfach um. Das geht oft sehr gut.

Stoffe
Richtig gute Stoffe zu finden die Karl gefallen, das ist schwierig. Immer wenn ich einen schönen Stoff finde, kaufe ich knapp 2 Meter. Einen ganz besonderen Fang habe ich in Hamburg bei Mahler gemacht. Die beiden karierten Hemden sind aus Baumwolle mit 4% Kaschmir! So weich, so kuschelig, so gemütlich. Ein Stück des grünkarierten liegt noch hier. Daraus werde ich was für mich nähen.

Einige dünne Leinenstoffe liegen noch im Schrank. Die werde ich erst im Frühling vernähen. Oberhemden nähen, das kann ich jetzt.

Weihnachtskleid Sew Along 2018 – 2 – Konzept

MeMadeMittwoch Weihnachtkleid 2018 Teil 2, hier findet ihr die Berichte.

Konkrete Projektvorstellung:
Hurra, ich habe alle Zutaten bereit und sogar schon angefangen
Mein Stoff ist toll, aber ich nehme doch lieber ein anderes Schnittmuster. Oder doch nicht?
Was solls, ich kopiere den Schnitt und schneide gleich noch zu.
Hilfe, der Stoff kommt nicht. Das Schnittmuster gefällt nicht mehr.

Alles trifft nicht zu. Ich bin entschieden und habe auch Stoff.

Es wird das 20er Jahre Tagesensemble.

 

Hier auf der Seite des Metropolitan Museum of Art habe ich die Inspiration  studiert und mir auf einer Skizze notiert wie ich nähen will.

Jetzt übe ich Biesen in dünnen Wollstrick zu nähen:

 

mein erster Beitrag

und hier noch die nächsten Termine des Sew Along:
Sonntag, 9.12.2018 – Erster Zwischenstand
Sonntag, 16.12.2018 – Zweiter Zwischenstand
Mittwoch 26.12.2018 – Finale

Design kopieren, Skirt Wishing Tree Tweed, McQueen FW 17/18

 

 

 

Bei der Aktion „Vom Laufsteg in den Kleiderschrank Nr. 5“, organisiert von Yvonne/yvonetsurreal und Monika/Wollixundstoffix, habe ich mich von der  Herbst- Winterkollektion 17/18 des Modehauses Alexander McQueen inspirieren lassen und nähe ein Tweedkleid. Nach längerer Suche habe ich einen Fancy-Tweed gefunden der meinen Ansprüchen genügt. Da ich nicht genau wusste wieviel Stoff ich benötige habe ich reichlich eingekauft. (Das fertige Kleid zeige ich am nächsten Dienstag. Dann ist Finale.)

So ist etwas Stoff übrig geblieben und vom Kunstleder des letzten schwarzen Rocks war auch noch ein Streifen da.  Ich habe also ein weiteres Kleidungsstück der Kollektion nachgenäht. Dort gibt es Röcke aus „Wishing Tree Tweed“ in ganz verschiedenen Formen.

Dieser hier wird als  Minirock und überknielang verkauft und hat mir besonders gut gefallen.

Es ist ein enger, an den Seiten und hinten eingestellter, über-knielanger  Rock. Enge Röcke nähen, das kann ich inzwischen ganz schnell und gut.

An der Wand meines Nähzimmers hängt der passende Grundschnitt der nur für das aktuelle Vorhaben modifiziert werden muss. Anpassungen sind erforderlich weil die Stoffe sich unterschiedlich dehnen.

Ich trage den neuen Rock mit einem schwarzen Pulli. Genau richtig für den frühen Herbst. Herbstmode zeigen auch die Teilnehmerinnen beim heutigen Me Made Mittwoch. Schaut hier.

Den dehnbaren, locker gewebten Stoff habe ich  ganz mit dünner Einlage beklebt. Er ist noch weich aber leiert nicht mehr so aus. Der Rockteil aus Tweed ist knielang  und zuerst verarbeitet worden. Ich habe dieses Rockteil mit seinem Futter und dem Bündchen zuerst ganz fertiggestellt. Später habe ich dann unten die Streifen aus Kunstleder aufgenäht und den Tweedstoff ausgefranst. Das Taftfutter des Rocks geht bis zum Übergang von Tweed und Kunstleder. Es gibt einen nahtverdeckten Reissverschluss und einen Knopf mit Schlinge. Hier einige Detailfotos.

Seitennaht, innen

Rockschlitz hinten

Rock unten an den Seiten einige Zentimeter eingestellt

Reissverschuss und Bundlösung

Fransen

 

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Unabhängiger werden von Schnittmustern Teil 2 – Abnähermanipulation

Immi und ich brauchten eine Woche länger um den zweiten Beitag zu „Unabhängiger werden von Schnittmustern“ zu verfassen. Dieses Mal geht es um Röcke und verschiedene Möglichkeiten.

Ich glaube, mit dem Römö-Rock fing es bei mir an. Vor einiger Zeit haben viele Frauen ihn genäht, er wurde heiß geliebt. Ich habe mich gefragt, was hat der da für merkwürdige Nähte oben parallel zur Taille? Deko? Konstruktionsbedingt?

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RÖMÖ von Schnittreif / Farbenmix

Erst allmählich habe ich verstanden , dass das die Taillenabnäher sind. Genau so ist es. Alleine durch die Verlegung der Taillenabnäher bei einem Basisrock lassen sich schon viele interessante Effekte erzielen.

Hier einige Beispiele:

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Butterick 5566

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Burda 133b November 2013

 

 

 

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Abnäher werden benötigt, um die weibliche kurvige Figur nachzuzeichnen. Lage, Länge und Tiefe der Abnäher entscheiden häufig über den guten Sitz eines Kleidungsstücks. Sie haben aber auch nicht zu unterschätzende Funktionen für das Design. Besonders aus den 40er und 50er Jahren gibt es fantastische Beispiele für fantasievolle Gestaltung der Abnäher.

Abnäher lassen sich fast beliebig verschieben oder besser, um den höchsten Punkt rotieren. Ist das Prinzip verstanden, läßt sich der Vorgang ziemlich einfach bewerkstelligen.

Abnäher lassen sich auch wegkonstruieren, zudrehen nennt das die Fachfrau. Michou hat das im vorletzten Jahr auf ihrem Blog hier sehr einleuchtend gezeigt.

Die Konstruktion eines Basisrockschnitts ist relativ einfach und im Netz und vielen Büchern finden sich gute Anleitungen. Hier in diesem Blog habe ich auch eine dreiteilige Anleitung veröffentlicht (hier, hier und hier). Auf dieser Basis gelingte es dann in kurzer Zeit eigenen Modellvorstellungen zu folgen oder ein einmal gesehenes Modell nachzubauen.

Rock Abn. Puppe SeiteLetztens habe ich bei einem geraden Rock die Taillenabnäher in der Art des RÖMÖ Rocks verschoben und mit roten Kunstlederpaspeln betont. Hier, in diesem gesonderten Post, kann der Prozess der Konstruktion nachvollzogen werden.

Rock Abn. Puppe VorneRock Abn. Puppe hinten

Es lohnt sich mit Abnähermanipulation zu experimentieren. Da kommen immer wieder überraschende Ergebnisse raus. Und viel Schnittmuster leben von dieser Art der Anpassung.

Auch mein Jeansrock  hier ist im Grundsatz ein normaler enger Rock mit Reißverschluss wie bei Hosen im Vorderteil.

MMM Details Italienischer RockDer vordere Abnäher verschwindet in der SeiteMMM Italienischer Rock hintenntasche. Bei genauem Hinsehen erkennt man das. Hinten ist das Schnittmuster in einer Kurve durchgeschnitten. Dann wurde der hintere Abnäher in die gewünschte Kurve verlegt.  Um die Weite unten zu erzeugen sind noch Keile / Godets eingesetzt worden. Sie ersetzen den sonst oft üblichen Schlitz.  Alles also kein Hexenwerk.

Nur Mut. Wir sind auf eure Rückmeldungen und Bericht zu euren Experimenten sehr gespannt und setzen Links zu euren Beiträge hier unter unsere Posts.

Teil 3 ist für Anfang Dezember geplant.

Das kleine Schwarze – Sew Along – Unterfüttern / Underlining?

Hier habe ich über meinen Plan zum LBD geschrieben. Ich überlege das Kleid mit Baumwollbatist zu „unterfüttern“ und dann mit normalem Viskosefutter zu füttern. Und gefragt worden bin ich: Warum?

Ich habe mir vorgenommen den Nähprozess insgesamt zu verlangsamen und neue Techniken auszusprobieren, die Qualität der Kleidungsstücke noch weiter zu verbessern. In  meinem Kleiderschrank gibt es genügend Kleider. Im Prinzip arbeite ich jetzt an der Qualität und nicht mehr an der Quantität. In die Herstellung meiner Garderobe investiere ich Zeit und als ökonomisch denkender Mensch will ich einen guten Ertrag erzielen. Für mich bedeutet „guter Ertrag“ Kleidungsstücke die gut sitzen und lange halten. Wenn mir ein Teil gefällt, dann möchte ich viele Jahre etwas davon haben. Die Technik des Unterfütterns erhöht, da wo es sinnvoll ist, die Qualität und Lebensdauer.  Diese Futter nennt man manchmal auch Zwischenfutter. Es hat eine andere Funktion als normales Füttern.

Das Unterfutter und der Oberstoff werden nach dem gleichen Muster zugeschnitten, verbunden und dann werden beide Lagen wie ein Stoff verarbeitet. Das „normale“ Futter wird als eigenständige und an vielen Stellen lose im Keid sitzende weitere Stofflage verarbeitet. Und dann gibt es noch Einlagen, noch eine weitere Stofflage. Unten habe ich einige Links zu verschiedenen Themen im Bereich Underlining aufgeführt. Wer tiefer in die Materie einsteigen will, nur zu. Ich selber habe diese Technik schon einmal angewandt und einen Rock aus losem Tweed mit Seidenorganza unterlegt. Für den Tragekomfort und den Fall des Stoffes war das eine gute Idee. Leider ist der Tweed so lose, das er bei der kleinsten Belastung (Z.B. Schnalle von der Handtasche) Fäden zieht.

Mein schwarzer Stoff ist sicher von guter Qualität. Ich habe aber Zweifel an seiner Festigkeit. Mir scheint, dass bei intensiver Belastung der Stoff beult und keine guten Rücksprungseigenschaften hat. Er enthält kein Elastan. Mit dem Gegensetzen von leichtem Baumwollbatist möchte ich den Stoff stabilisieren. Das rote Futter dient dann den guten Trageeigenschaften. Es rutscht besser über den Körper, klebt nicht und fühlt sich angenehm an.

Links zur Technik des Unterfütterns:
Craftsy, how to use underlining
Threadsmagazine, understanding-underlining
Hobbyschneiderin24, Kleid aus Baumwollbatist, wie unterfüttern
Megan Nielsen, coat-construction-2-underlining
sewaholic, underlining the lonsdale dress
Lladybird, Underlining the why-how

und auf Anregung von Ursula:
http://www.lauramaedesigns.com/2013/05/silk-organza-magic-underlining-tutorial.html
http://www.lauramaedesigns.com/2014/05/structured-underlining.html

und noch ein paar Ergänzungen:
Ann Brooks Underlining

Wenn es interessiert und ich diese Technik wirklich anwende, die Zeit ist ja knapp, werde ich mich bemühen den Prozess zu dokumentieren. Hat jemand interesse oder kann noch Informationen beitragen? Mich würde das sehr freuen.

Schönen Sonntag noch
Mema