Wie nähe ich ein passendes schlichtes T-Shirt?
Ein T-Shirt zu nähen ist viel schwieriger als es aussieht und vielfach im Netz beschrieben wird. Zumindest gibt es Hürden wenn die Oberweite mehr als Körbchengröße B vorsieht und die Schulterbreite dann vergleichsweise schmal ist. Meine T-Shirts müssen diese beiden Eigenschaften berücksichtigen. Andere Hürden wie z.B. ein Hohlkreuz muss ich nicht berücksichtigen. Ich möchte passende und haltbare Shirts.
Im Winter 2014 habe ich eine kleine „EinFrauManufaktur“ eröffnet und hintereinander weg 9 Winterhemden genäht. Bei letzten habe ich wesentliche Schritte fotografiert. Hier gibt es eine Menge Fotos der Wintershirts von 2014.
Die vorherigen Versuche und die Analyse gekaufter T-Shirts hat ergeben, meine größeren Brüste benötigen einen Brustabnäher. Sonst zeigen sich tiefe Stressfalten zu den Ärmeln und zur Taille. Und wenn die Oberweite vom Umfang her passt, dann habe ich immer überschnittene Schultern in T-Shirts, auch bei eingesetzten Ärmeln. Das ist keine Katastrophe. Ich lebe damit seit Jahrzehnten, so wie viele andere Frauen auch! Aber wenn ich es mal richtig machen will, dann geht das so:
Der Basisschnitt ist egal. Ich nütze Vogue 8793 weil ich ihn besitze. Alle anderen Schnitte mit eingesetzten Ärmeln gehen auch. Benötigt werden nur das Vorder- und Rückenteil und der Armschnitt. Über die Größe des Schnittes entscheidet der normale Brustumfang. Die Schnittteile sind auf Folie kopiert und alle Nahtzeichen eingemalt. Das Vorderteil habe ich an meinen Körper gehalten und den Brustpunkt markiert. Und, ganz wichtig, das Vorderteil hat 2 cm mehr Länge. Die brauche ich wegen der Oberweite. Das erste Shirt ist ein Probeshirt.
Zur Technik: Ich nähe mit einem normalen geraden Nähmaschinenstich (3mm), allerdings mit dem Obertransportfuss. Den habe ich erst seit kurzem. Er ist sehr teuer aber ich bin ganz glücklich damit. Jersey verhält sich damit viel besser. Ich schneide die Schnittteile alle mit 1,5 cm Nahtzugabe zu.
Vorbereitung der Schnittteile
Auf hinteren Schulterteile und die Ausschnitte von Vorder- und Rückenteil habe ich eine leichter Verstärkung aufgebügelt. Die Streifen waren genau 2,5 cm breit. Hier habe ich Streifen von der Rolle genommen. Meterware geht für die Ausschnitte besser denn sie muss nicht gestückelt werden. Dann wurde den die Ausschnittteile genau auf der zukünftigen Naht, also 1,5 cm vom Rand entfernt, mit einer Stütznaht versehen (bei diesen Demofotos habe ich das etwas später gemacht denn die Schulterschräge wurde nur beim ersten Shirt angepasst).
Festlegung der Schulterschräge:
Davon habe ich keine Fotos. Ich arbeite ja mit einem schon angepassten Schnittmuster und mit abfallenden Schultern habe ich auch keine Probleme. Bei meinem Probeshirt habe ich das aber geprüft. Dann steckte ich die Seitennähte und die Schulternähte mit Stecknadeln und überprüfte den Sitz. Alles Gut, es konnte weitergehen.
Nähen der Schulternähte:
Der Stoff wird rechts auf rechts gelegt und in 1,5 cm Abstand vom Rand genäht. Ich mache das ohne Stecknadeln denn es handelt sich um eine kurze verstärkte Strecke.
Danach wird die Nahtzugabe der Rückseite (die verstärkt ist) zurückgeschnitten.
Die vordere Nahtzugabe wird eingeklappt und von rechts (!!) ganz knapp an der eingeklappten Kante festgesteckt. Von rechts nähe ich jetzt die Nahtzugabe fest (und hoffe, dass von hinten alles gut geht).
Jetzt habe ich schöne stabile Schulternähte und die Verstärkung ist, wenn ich genau gearbeitet habe, in der Naht verschwunden.
Halsausschnitt:
Der Halsausschnittbeleg ist ca. 4 cm (2,5 – 5 cm je nach dicke des Stoffs) breit und an einer Seite mit der Overlock versäubert. Die Länge des Beleges schätze ich ab. Es reicht wenn er so lang wie der Umfang des Halslochs ist. Dieser Beleg wird jetzt rechts auf rechts mit der nicht versäuberten Kante genau an die Nahtlinie gelegt und „halb nähmaschinenfüßchenbreit“ abgesteppt. Mein Obertransportfuss ist breiter als ein normaler Fuß, hat aber eine Markierung nach der ich mich bei der Breite richten kann.
Ich nähe den Beleg aus dem Handgelenk an. Nichts ist vorher gesteckt oder geheftet. Beim Annähen wird der Beleg fortlaufend gedehnt. Je enger die Rundung ist an der er sitzt, um so mehr Spannung gebe ich beim Nähen auf den Stoff. Schon beim ersten Mal hat das gut geklappt. Ich fange hinten oder auf der Seitennaht mit dem Annähen an. 3 cm vor dem Ende nehme ich das Teil aus der Maschine, messe die jetzt noch notwendige Länge des Beleges ab und verbinde beide Teile. Dann beende ich den Vorgang des Annähens des Belegs.
Dann wurde die Nahtzugabe des Vorderteiles (mit Verstärkung bebügelt) abgeschnitten.
Jetzt habe ich mit viel Dampf auf einem Bügelei gebügelt. Dabei hat sich der Halsausschnitt mit dem Beleg schön in die Rundung gelegt. Hier ist meine aufgebügelte Verstärkung etwas breit. Da wo sie zu unregelmäßig war habe ich das weiße Flies abgezogen.
Der Beleg wird um die kleine verbliebene Nahtzugabe geklappt, festgesteckt und im Nahtschatten genäht. Ich habe seit einiger Zeit dazu ein besonderes Füßchen. Meine Ergebnisse beim „Nahtschattennähen“ haben sich damit sehr verbessert. Die Nähte sind fast unsichtbar geworden.
Nun noch mal viel Dampf auf den Ausschnitt und er lag wunderbar und genau.
Die Schultern sind fertiggenäht, der Ausschnitt passt. Jetzt kommt die zentrale Anprobe.
Anpassung des T-Shirts
Mir war ja schon klar, dass ich einen Abnäher brauchte. Der sollte vom Armloch aus gehen. Die maximale Größe so eines Abnähers (sagt mein Craftsykurs) kann 2 cm sein. Die Schenkel des Abnähers sollen auf den Brustpunkt zeigen und mehrere cm vorher aufhören.
Solche Abnäher habe ich also auf beiden Seiten provisorisch gesteckt. Der Brustabnäher legt sich bei Anprobieren eigendlich schon selbständig in die richtige Form. Obwohl ja das Armloch mit dem Abnäher 4 cm weniger Stoff hatte habe ich keine Erweiterung eingeplant. Der Jersey hat diese Veränderung so „geschluckt“. Bei Webstoff sähe das anders aus.
Auch die Seitennähte wurden mit Stecknadeln zusammengeheftet und die Nahtlinie der Ärmel mit Stecknadeln markiert.
So sah das dann aus. Nicht vergessen, dieses rote Shirt basiert schon auf meinem angepassten Schnittmuster. Beim ersten Mal hatte ich viel breitere Schultern und der Abnäher waren auch noch nicht so tief. An dieser Stelle habe ich mir viel Mühe gegeben die Shirts anzupassen. Die Seitennähte zu variieren, die Taillenkurve nachzuzeichnen und auch die Tiefe des Brustabnähers zu formen. Meine Shirts sind aus verschiedenen Materialien. Immer an dieser Stelle des Nähprozesses probiere ich das neue Teil an und immer gibt es Veränderungen mit der unterschiedlichen Flexibilität des Materials zusammenhängen.
Das Vorderteil ist ja 2 cm länger. Beim Zusammennähen der Seitennähte dehne ich den mittleren Teil des Rückteils, die 10 cm unter dem Armloch, so, dass alles wieder passt.
Bei diesem roten Shirt war wenig zu tun. Die wenigen Falten unter der Brust nahm ich in kauf. Hier würde nur ein zweiter Abnäher helfen. Die Falten vom Ausschnitt verschwanden als die Ärmel eingenäht wurden.
Ärmel einnähen
Zunächst wurden die Ärmel an Vorder- und Rückenteil mit Stecknadeln eingeheftet und mit einem einfachen geraden Stich angenäht. Natürlich habe ich die Passzeichen beachtet. Die Nahtzugabe wurde, wieder auf dem Bügelei, in den Ärmel gebügelt. Danach ist die Nähtzugabe mit der Overlock versäubert worden.
Seitennähte schließen
Die Seitennähte wurden ebenfalls zunächst mit dem Gradstich der Nähmaschine geschlossen und dann mit der Overlock versäubert.
Säumen des Shirts und der Ärmel
Der letzte Schritt waren die Säume. Hier habe ich zunächst die Kanten mit der Overlock gesäubert und dann umgeklappt und gebügelt. Die Säume der Shirts sind wahlweise mit der Zwillingsnadel oder mit einem einfachen Stich angenäht. Bei diesem roten Shirt habe ich eine einfache Näht gewählt. Meine Wintershirts haben breite Bündchen bekommen. Die Ärmel lassen sich so aufkrempeln.
Hilfsliteratur
Zur Unterstützung habe ich das Buch Professionell schneidern von Maynard zurate gezogen. Die Halsausschnittverarbeitung habe ich da gefunden. Das Buch ist großartig und sehr zu empfehlen.
Der Craftsykurs „The ultimate T-Shirt“ der beiden Tiltonschwestern ist nichts für die schnelle Information. Beide Tiltons entwickeln Schnittmuster für Vogue und arbeiten für diesen Videokurs in ihren jeweiligen privaten Nähzimmern und sie tun die Dinge etwas unterschiedlich. Mir war es ein Vergnügen ihnen zuzuschauen obwohl ich ihren Kleidungsstil nicht sehr mag. Beide sind aber gute Lehrerinnen und erklären die Dinge folgerichtig und schlüssig. Und sie haben Humor.
In 9 Lektionen gibt es alle notwendigen Basisinformationen über das Nähen von einfachen T-Shirts für Frauen. Es geht um die Wahl des Stoffes, die Anpassung des Schnittmusters und um Nähtechniken. Das Schnittmuster V 8793 wird mitgeliefert. Auf der verlinkten Craftsyseite gibt es ausführliche Informationen über den Inhalt des Kurses und auch eine kleine Vorschau. Für mich waren insbesondere die Informationen über die Technik der Anpassung der Shirts hilfreich. Aber auch über gute Verarbeitung habe ich viel gelernt. Den Kurs empfehle ich wenn jemand viel Zeit hat und sich ausführlich mit der Materie beschäftigen möchte.
Es gibt ihn nur in englischer Sprache, in Deutsch kenne ich nichts vergleichbares.
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